Zur Mitternachtssonne strömt die halbe Welt nach Island. Im Winter fast keiner. Das ist sagenhaft schade, denn nicht nur Elfen und Trolle machen die eisige ...
Der Strokkur, der aktivste Geysir weit und breit, pufft wie immer mächtige Dampfwolken in die klirrende Kälte. Manchmal heißt es sich auf allen vieren weiterbewegen, wie in Pingvellir, der alten Kultstätte des Landes – dort lässt es sich prächtig plattenrutschen, geologisch gesehen: Die Almannagja (Allmännerschlucht) befindet sich an der tektonischen Nahtstelle zwischen nordamerikanischer und eurasiatischer Platte. Dort warten die Leuchttürme bei Malarrif und pittoreske Fischerdörfer wie Hellnar und Arnastapi, wo dem Gletschergott eine überlebensgroße Lavastein-Figur errichtet wurde – gleich hinter der pseudorustikalen Pizzastation mit Panoramafenstern, wo die paar Tourgruppen von Mountaineers of Iceland & Co abgefüttert werden. Keine Schneeschuhtouren, keine Langlaufloipen oder Eislaufplätze, nur ein paar mittelgroße Skigebiete und ein bisschen Heli-Skiing im Norden der Insel, die deutlich größer ist als Österreich. Im Winter stemmen sich die Menschen mit sehr viel künstlichem Licht gegen den Mangel an Helligkeit. Und dann ist da noch Bláfjöll gleich bei Reykjavik, wo auch in der viermonatigen Skisaison maximal jeder zweite Tag offen ist. 1 erreichbar – diese ist über 1.800 Kilometer lang und nicht selten, auf Teilstrecken, aus Witterungsgründen über Tage gesperrt: im Süden wegen Stürmen und Schneeverwehungen, im Norden wegen Lawinengefahr. Tageshöchstwert minus drei Grad, ohne Windchill-Faktor, wenn nicht wieder eine Warmfront die Eisesstarre löst und das Land kurz im Matsch versinkt. Zuerst einmal landen und starten, das ist nicht selten die erste Hürde. Stille, von ein paar Schulkindern abgesehen, die erst später Unterricht haben: Es ist Jänner, und die Sonne geht erst zwischen zehn und elf Uhr auf, erst danach gibt es täglich sieben bis acht Minuten Tageszeit mehr. Ein paar Straßen stadteinwärts ist das leichter, denn dort sind die Gehsteige von unten geothermal beheizt und die Pflastersteine bloß feucht, was nichts mit dem heimischen Gull-Bier zu tun hat. Sagenhafte Stille herrscht auch im Fischerdorf Eyrarbakki, von wo es ohne Unterbrechung 15.000 Kilometer direkt zur Antarktis ginge, ohne jede Landmasse dazwischen: Das Meer ist dunkel, die Ebbe hat die schneebedeckte Lavaküste nach hinten verschoben.